Post by volxsturm on Nov 20, 2009 19:40:26 GMT 1
ATAKEKS VS. VOLXSTURM
Fangen wir vorne an: In der letzten Ausgabe habe ich, der/die eine oder andere wird sich erinnern, den aktuellen SLIME-Tribut-Sampler verrissen. Dies sorgte, wie zu erwarten war, für einige schwer empörte Reaktionen. Unter anderem meldete sich Thomas, der Drummer von VOLXSTURM, mit einer Rundmail an die Redaktion zu Wort und betonte, dass die Band weder etwas mit Patrioten zu tun habe noch „unpolitisch“ sei. Daraus entwickelte sich in der Folge ein längerer „Briefwechsel“, vor allem zwischen ihm und mir, und schließlich kamen wir überein die Diskussion in ein Interview einfließen zu lassen. Da ich Thomas und seinen Bandkollegen durchaus abnehme, dass sie sich als antifaschistisch und, wie er schrieb, „eher links“ betrachten, sollten sie Gelegenheit bekommen nun auch ihre Sicht der Dinge in diesem Straßenköterkampfblatt darzulegen. Zugleich wollte ich dieses „eher links“, das mir an VOLXSTURM in der Vergangenheit nie aufgefallen war, aber auch an verschiedenen Punkten abklopfen und konkretisieren. Ich las also zunächst sämtliche Texte, die mir von der Band zugänglich waren, lieh mir schließlich ihre letzten beiden Veröffentlichungen von einem freundlichen Arbeitskollegen und sah mir einige Interviews im Netz an. Die Vorgehensweise eine Band (wie auch z. B. einen Schriftsteller) vor allem anhand ihres Outputs zu beurteilen, ohne dabei ausgedehnte Biographieforschungen zu betreiben, halte ich übrigens für völlig legitim, zumal, sieht man vom engeren Kern einer eingeschworenen Fangemeinde ab, den meisten Menschen die persönlichen Hintergründe in der Regel weitestgehend unbekannt sind. Der „Künstler“ muss sich letztlich an dem messen lassen was er zu Papier und zu Gehör bringt.
Was ich fand, waren wahrlich nicht nur Texte über´s Saufen, das zu behaupten wäre unfair. Tatsächlich gab es einige „Unity“-Statements, die jedoch vor allem davon handelten als Punx und Skins entweder zusammen zu Feiern oder zusammen durch die Straßen zu ziehen und es den Spießern mal zu zeigen. Das ist fraglos nett, steht aber, abgesehen von den Frisuren, in keinem großen Gegensatz zu der von mir gebrauchten Formulierung „unpolitische Durchschnittsdeutsche“, denn auch manch braver Bürger schlägt im Alkoholrausch gern mal etwas über die Stränge, in einer später abzulegenden „wilden Jugend“ sowieso. Des Weiteren stieß ich auf eine anti-rassistische Zeile („Uns ist es völlig scheißegal, ob schwarz ob weiß…), die ich durchaus als noch begrüßenswerter, nicht aber als „politisch“ oder gar „eher links“ erachte. Kein Rassist zu sein ist die Minimalanforderung, die man an jeden Mitbürger, gleich ob sonst völlig desinteressiert, Grüner oder CDU-Wähler, stellen sollte. Gesunder Menschenverstand, nicht mehr (aber immerhin auch nicht weniger). Das bringt uns allerdings auch zum Kernproblem dieses Interviews. Ich bin nämlich der Auffassung, dass man, auch ohne dem NPD- und Kameradschaftspack oder ähnlichen Vollpfosten nahe zu Stehen, tendenziell rechte (nicht rechtsextreme!) Inhalte verbreiten kann und das eben davon eine ganze Menge auch in „unserer Szene“ unterwegs sind. Deshalb und nicht weil es gegen VOLXSTURM ganz spezielle „Verdachtsmomente“ gegeben hätte, habe ich sie unter anderem zu Männer- und Frauenbildern/ -rollen und ihrem Verhältnis zu (besonders in den weniger politisierten Teilen der Szene nicht selten anzutreffenden) homophoben Standpunkten befragt. Deshalb hielt ich ihren „Arbeitsbegriff“ für relevant. Und nicht zuletzt diese Frage betreffend, lässt sich in ihren sozialkritischen Texten meiner Meinung nach auch genau jenes reaktionäre, vielfach unpolitische Weltbild nachweisen, dass u. a. dem bundesdeutschen Meinungsmainstream unterstellt werden darf. Es wird getragen von dem Glauben an das bestehende Wirtschaftssystem, zu dem es für Anti-Kommunisten wie VOLXSTURM schlussendlich ohnehin keine Alternative gibt, und suggeriert trotz aller Kritik, dass gerechte Löhne und in ausreichendem Maße vorhandene Arbeitsplätze in der Marktwirtschaft möglich wären oder theoretisch sein sollten. Was auf das Selbe hinausläuft, nämlich das so irrwitzige wie reaktionäre Bild vom „guten Unternehmer“, der sich seiner sozialen (und patriotischen) Verantwortung bewusst ist, was dann wiederum (auch wenn von VOLXSTURM definitiv NICHT(!) so gedacht) zwangsläufig auf die angebliche Versöhnung der Klassengegensätze in der Volksgemeinschaft hinausläuft. Hinzu kommt die Fetischisierung der „Arbeit“, sinngemäß: „Es ist besser zu arbeiten, als Geld vom Staat zu kassieren!“ Nichts an dieser Perspektive ist links oder „eher links“.
Es gibt aber noch eine Reihe von anderen Punkten, die mich daran hindern mich an dieser Stelle bei der Band für meinen Verriss zu entschuldigen. Zwei seien noch kurz angesprochen: Da wäre zum einen ihr Song über einen Sexualstraftäter, an dem mich, wie bei allen anderen Texten, weniger der persönliche Hintergrund interessiert, sondern vor allem die grundsätzlich meinungsbildende Wirkung öffentlicher Äußerungen und die gesamtgesellschaftliche Debatte, in welche sich das Lied notwendigerweise einfügt. Zum anderen finde ich die Bandfreundschaften, welche VOLXSTURM als vermeintlich „eher linke“ und antifaschistische Kapelle weiterhin pflegen, mehr als befremdlich. Da ich die Antworten jedoch erst am Abend des offiziellen Redaktionsschlusses erhalten habe und keine Gelegenheit mehr hatte nachzuhaken, kann ich auf einige Anmerkungen im Schlussteil nicht verzichten. Nicht weil ich der Band unbedingt nachträglich noch an den Karren pissen will, sondern weil es meinem Verständnis von „kritischem Journalismus“ widerspricht, derart verharmlosende Statements unwidersprochen und unhinterfragt so stehen zu lassen.
Nichtsdestotrotz möchte ich sagen, dass mich die Auskunftsbereitschaft der Band wie auch die gesamte Auseinandersetzung durchaus gefreut haben und auch wenn hier teilweise völlig unvereinbare Standpunkte mit einer gewissen Wucht aufeinander geprallt sind, war die ganze Angelegenheit auch keine stets todernste… Und es soll hier nicht verschwiegen werden, dass VOLXSTURM musikalisch wie textlich durchaus eine gewisse Weiterentwicklung vollzogen haben. Nur sind da leider aus meiner Sicht eben keine für die Diskussion um „eher links“ und „poltisch/unpolitisch“ relevanten, sprich unerwartet Neues bringenden Songs mehr hinzugekommen. So far…
ATAKEKS
Keine Ahnung, ob Ihr schon mal mit einem Interview im PB vertreten wart. Daher vielleicht ein paar kurze Worte zur Bandgeschichte? Aktuelle Besetzung? Nur mal so zum warm werden… Und wie sah Eure Punk-/ Oi-Sozialisation aus?
Hinkel: Die Band wurde 1991 in Schwerin gegründet, wie viele andere Bands zu dieser Zeit auch. Aus Mangel an Freizeitangeboten war das ein guter Ausgleich um seine Wochenenden mit viel Spaß auszufüllen. Bis 1993 gab es von uns nur Gigs/ Proben in unserem Proberaum. Die damalige Besetzung waren Norman (Bass), Robert (Gitarre), Troidler (Schlagzeug). Gesungen hat damals meist Ernie oder ich, da wir meistens eh mit waren oder Robert übernahm den Gesang, wie auch bei den ersten zwei Volxsturm Konzerten außerhalb des Proberaums. Aus dieser Zeit existieren „nur“ Proberaumtapes, wovon auch einige Sonx auf verschiedenen Punk-Rock- Tape-Samplern der damaligen Zeit erschienen. 1994 veröffentlichten wir unser erstes offizielles Demo-Tape und 1995 unsere EP. Wenn du mehr erfahren möchtest, guck dir unsere DVD „ Immer hart am Wind“ an, da erzählen wir ein bisschen ausführlicher oder les einfach auf www.volxsturm.de ne Bandstory bis nach der Entstehung unserer LP „Oi! Is fun!“.
Wie kam Eure Beteiligung am SLIME-Tribute zu Stande?
Stahmer: In erster Linie aus persönlichem Interesse, auch wenn wir jetzt mitten im Leben stehen und unsere Gesichter langsam Jahresfalten aufweisen, leben wir noch immer ein Stück der rebellische Seite. Slime ist ein Teil unserer Jugend, aber auch heute noch lauschen wir gerne den aufrührerischen Klängen. Ein schönes Ventil um das Angestaute im Bauch mal wieder auszukotzen.
Tost: Ich geb mal die Sachantwort. Ich habe davon gelesen und mein Interesse auf den letzten Drücker bei Christian/ Sunny Bastards angemeldet. Dann haben wir uns jeder für sich das Gesamtwerk durchgehört und jeweils 1-2 Songvorschläge in den Proberaum mitgebracht. In die engere Auswahl kamen dann „Seekarten“, „Wind“ und „Gewinnen werden immer wir“. „Seekarten“ war schon weg, mit „Wind“ taten wir uns in der Umsetzung schwer und „Gewinnen werden immer wir“ war sogar noch frei.
Ihr habt vor allem in Euren Anfangstagen immer wieder gefordert, dass sich Punx und Skins von der „Scheiß-Politik“ befreien und unter der großen „unity“ war Euren Texten nach vor allem das zusammen feiern und saufen zu verstehen. Ich nenne das unpolitisch. Aus was für einer Situation sind diese Songs damals entstanden und wie steht Ihr heute zu dem Wort „unpolitisch“?
Tost: „…immer wieder gefordert…“ ist eine maßlose Übertreibung, handelt es sich doch lediglich um einen Text ;-). Es ist nat. immer schwierig etwas in 3 min. Liedern unterzubringen und Lyrikpreise gewannen wir schon damals nicht, aber insbesondere in jungen Jahren sind wir nicht immer reflektiert durch die Gegend gelaufen und wollten manchmal wirklich lediglich zusammenfeiern und saufen (bezogen auf Textbeispiel aus "Oi!" von 1994) Mal abgesehen davon, scheinst Du in deiner Argumentation stets davon auszugehen, das Skins mit rechts gleichzusetzen sind und somit, wenn über die Befreiung von den Zwängen der Parteipolitik gesungen wird, wir immer gleich den demokratischen Sektor verlassen müssten…
Hinkel: Das Lied hat Robert 1992 oder 1993 geschrieben und war eine Beschreibung der lokalen Zustände bzw. für die lokale Szene gedacht. Wir haben damals nicht im Entferntesten daran gedacht, Sprachrohr für eine deutschsprachige Szene sein zu wollen. Dieser Text spiegelte bloß unser Umfeld wider. In Schwerin hingen die Skins, die nicht rassistisch waren mit den Punx ab und unsere damalige Band bestand ja auch aus 2 Punks und 2 Skinheads. Es gab aber auch Skinhead-Crews wie die damalige Skinhead –Szene in Greifswald, wo Punx keine oder nur eine geringe Rolle spielten. Dort gab es nur Glatzen, die damals nichts gegen Punx hatten, aber lieber unter sich blieben. Aber auch in anderen Städten, wie Neubrandenburg hingen dann Punks und Skins miteinander ab.
Platten aus dem Skinhead-Sektor erschienen ja meist zu der damaligen Zeit bei ROR und waren thematisch zu diesem Thema ja eher gegen den Unity- Gedanken und strotzten oftmals vor rechtsradikaler Politik. Unpolitische Bands waren halt Bands, die mit dieser Politik damals nix zu tun hatten/haben wollten. Gerade in der ehemaligen Ostzone schossen ja Bands wie Pilze aus dem Boden. Unpolitisch zu sein war damals echt gefährlich, weil man bei den eher rechten Skins als „Verräter“ angesehen wurde und stand auf den Listen oftmals ganz weit oben. Da waren die Punx oder sogar „Linke“ nicht soooo gesucht wie wir. Wir waren Feindbild Nr.1 für die. Da ging es oft ums nackte Überleben und das ist keine Übertreibung. Später wurde das Wort „unpolitisch“ durch die Linken ja zum Unwort, mit all den Vorwürfen, man feiert mit Nazis, obwohl man selber keiner ist usw.. Was zu damaliger Zeit gar nicht gegangen wäre.
Text: „Oi!“
Wieder zieh`n Sie durch die Strassen; dieses mal aber allein.
Der Skinhead schimpft auf`s Punkerschwein und der Punker auf das Skinheadschwein.
Warum kann es nicht wie früher sein alle zusammen und alle vereint?!
Lasst uns mal wieder zusammen feiern, uns von dieser Scheiß Politik befreien.
Sie hat noch nie gehalten, was sie versprochen hat.
Lasst doch davon endlich ab!
Wir brauchen keinen der uns sagt, was wir tun und lassen soll`n.
Wir geh`n unseren Weg zusammen, auch wenn es für Sie nicht der richtige ist.
Refr.
Oi! Oi! Das ist das was uns vereint
Oi! Oi!- Musik, Lass den Alltag, den Scheißalltag sein.
Wenn wir alle zusammenhalten, kann uns keine Macht der Welt mehr spalten.
Zusammen sind wir stark
Zusammen sind wir die Macht!!!
Ein ebenfalls sehr alter Song von Euch heißt „Rote Idioten“ und spiegelt in seiner undifferenzierten Gleichsetzung von sich „kommunistisch“ schimpfenden Diktaturen mit der sozialistischen Idee (wenigstens aus meiner Perspektive) genau das, was die konservativen und wirtschaftsliberalen Macher des bundesdeutschen Meinungsmainstreams seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig zum Schlechtesten geben: Sozialismus = Diktatur, DDR = Stalinismus. Deshalb finde ich es erfreulich, dass Ihr Euch entschieden habt das Stück nicht mehr zu spielen. Allerdings habt Ihr ja auch persönliche Erfahrungen mit diesem so genannten „real existierenden Sozialismus“ gemacht. Erzählt doch mal wie der Text entstanden ist und warum Ihr ihn dann doch aus dem Live-Programm genommen habt…
Text: „Rote Idioten“
Der alte Geist ist neu erwacht
und wenn er sich entfaltet, wird es dunkle Nacht.
Die alten Phrasen in neuem Licht,
sie wollen nur die Macht, was anderes woll`n sie nicht.
Ohne viel Gewissen werden Menschen ausgenutzt,
da sie gebraucht werden- einfach benutzt.
Habt Ihr vergessen, was sie uns angetan?!
Wollt Ihr ihre Lügen fressen, dann seid Ihr geistig arm.
Refr.
Sie kommen wieder und singen ihre Lieder
die roten Idioten, die roten Idioten
Andersdenkende werden ausradiert,
denkt an früher !! Habt Ihr`s nicht kapiert?!
Wie man Punx verhaftet hat,
doch ich hab die Scheisse längst schon satt.
Lasst Euch bloß nicht mit ihnen ein,
sind sie an der Macht, sperren sie uns ein.
Jetzt noch sind sie Euch gut Freund,
doch passt bloß auf, denn der Schein täuscht.
Hinkel: Den Text habe ich irgendwann Anfang der 90er Jahre geschrieben und er hatte einen persönlichen Hintergrund. Das ehemalige FDJ-Haus wurde zum Jugendhaus und verschiedene neu gegründete Jugendgruppen bekamen Räume. Dort gab es dann Werkstätten, Proberäume oder einfach Büros. Das Haus stand somit allen Jugendlichen offen. Wir hingen immer in so einer Art Cafe ab, wo man Bier trinken und Musik hören konnte. Irgendwann wurde dieser Raum aber der (neu gegründeten, oder der noch gar nicht aufgelösten?) FDJ zu gesprochen und sie wollten aber das Cafe erhalten. Nur renoviert sollte es werden. Ältere Punkrocker oder Glatzen, die schon seit Mitte der 80er Jahre in der Szene waren, kamen auch manchmal zu uns, mochten aber die alten und neuen FDJ/ PDS- Kader gar nicht. Viele waren von diesen Leuten zu DDR Zeiten angeschissen worden. Na ja, Ende vom Lied war, als der Raum renoviert war und so einige von uns da mitgeholfen hatten, bekamen wir alle Hausverbot in diesem Raum. Auch die Geschichten von den Älteren, mit all den Drangsalierungen zu DDR Zeiten, die teilweise mehr als heftig waren, brachten mich dazu, meine Gedanken zum Thema niederzuschreiben. Irgendwann fragte mich Heiko (stadtbekannter Punkrocker), wo dieser besagte Text ist, den er mal bei mir im Zimmer liegen sah und sagte, macht daraus ein Lied. So ist dieser Song entstanden. Seit dem Weggang von Troidler und Norman spielen wir diesen Song nicht mehr live, da er nach unserer Meinung nicht mehr aktuell ist, wir anderen Songs mehr Aufmerksamkeit gaben bei der Einarbeitung der „neuen“ Jungs und wir lieber „ Ohne Sinn“ von L´Attentat mit ähnlicher Richtung spielen, da das eine sehr gute Band war, der Sänger Reudnitz mehr als ein netter Zeitgenosse ist und solche Bands nicht in Vergessenheit geraten sollen. Außerdem singt da Robert und ich hab da mal 3 Minuten Pause...
Ach, da fällt mir gerade ein, das wir zu unserem 15 jährigen Jubiläum nur Songs von 1991 bis 1997 im Punkrock-Cafe „SUBVERSIV“ in Schwerin gespielt haben. Wir feierten dort vor alten Weggefährten der Band und spielten selbstverständlich auch diesen Song. Eine schöne Festlichkeit mit Frikadellen, Kartoffelsalat, Kuchen und Würstchen am Nachmittag vor unserem Gig mit unseren schwedischen Freunden Perkele.
Tost: Rote Idioten- Ein Song der wohl für die meisten Missverständnisse gesorgt hat und auch wenn er erst 1996 erschienen ist, so ist es doch ein Song aus den ersten Jahren von Volxsturm.
Situationsbeschreibung: die erhoffte Wende kam, die blühenden Landschaften nicht. Unsere Eltern wurden arbeitslos oder waren in "Nullbeschäftigung" und somit reichlich frustriert. Wir flüchteten vor den Auswüchsen dieser Frustration in Ermangelung an Alternativen auf die Straße (wie pathetisch), da vormals bestehende Zufluchtsorte wie Jugendclubs geschlossen wurden. Kein Umfeld in dem positive Gedanken in Hinblick auf die eigene Ausbildung reifen, aber guter Nährboden für Rattenfänger jeglicher Couleur. Zu diesen gehörte aus unserer Sicht auch die damalige PDS, Nachfolgepartei der SED, eine Partei, die ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet hatte und die mit der kommunistischen Plattform Heimstatt für alte SED Kader war, die ihre DDR zurück wollten. Der Text bezieht sich auf diese Situation und war als Warnung gedacht, das Alte aufgrund der Schwierigkeiten mit dem Neuen nicht wieder leichtfertig heraufzurufen. Er ist nicht übertragbar auf die gesamtdeutsche Situation und vor allem nicht auf die jetzige Situation. Schon damals wurde er insbesondere von westdeutschen Linken missverstanden und wir haben uns zu diesem Text oft erklärend geäußert. Da wir uns aber der hervorgerufenen Missverständnisse bewusst waren, ist der Song ca. ab 1996 nicht mehr in unserem Liveprogramm. Darüber hinaus wurden wir mit dem Text in eine Ecke gedrängt, in die wir nicht gehörten, entstammen wir in der Mehrzahl doch der Punkszene und hingen mit diesen gemeinsam rum. Zum Thema Sozialismus: Ideen werden immer an der Realität gemessen und unabhängig von der DDR hat bisher kein real existierender sozialistischer Staat den Beweis angetreten, das die Idee des Sozialismus unter Wahrung der Freiheit des Individuums realisierbar ist. Wenn eine Idee (so lobenswert sie auch sei) zur einzigen Maxime des Handelns wird und alle, unabhängig vom freien Willen, zum Gelingen dieser beitragen müssen, wird sie zum Dogma und in Folge dessen mit repressiven Maßnahmen im Sinne des Allgemeinwohles durchgesetzt. Daher bin ich in Hinblick auf meine persönlichen Erfahrungen froh, dass trotz aller Schwächen des jetzigen Systems, ein Wandel stattgefunden hat. Der Versuch, einen demokratischen Sozialismus zu erschaffen, ist aus meiner Sicht aus vorher benannten Gründen schon im Ansatz nicht möglich. Mag auch an der Schwäche der Menschen innerhalb einer Gesellschaft liegen und der Widerstand der anderen, kapital. Staaten und damit einhergehende Blockaden und Isolierungen werden nicht zum positiven Gelingen beitragen. Um es aber auch noch mal deutlich zu sagen: es ging den Menschen in der DDR 1989 mehrheitlich nicht um eine Rettung/ Übernahme durch den Westen, sondern um eine Veränderung der bestehenden Missstände von innen heraus. Kohl und wehende Deutschlandfahnen kamen später und wurden von vielen als blanker Revanchismus wahrgenommen. Auch ich war, als damals 19 jähriger, Unterstützer des neuen Forums um Bärbel Bohley und wollte, wie so viele auch, nicht die Souveränität eines 2.deutschen Staates und damit die Chance eines "dritten Weges" aufgeben. Der Mensch ist jedoch schwach und die Mähr von "blühenden Landschaften" trug zu einem fulminanten Wahlergebnis für die CDU bei. Der Einzige, der damals die Wahrheit sprach, war Lafontaine mit: „…die deutsche Einheit wird nicht aus der Portokasse bezahlt werden können.“ Doch leider gilt: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, aber nicht alles mit mal.“
Stahmer: Du müsstest Texte wie "Rote Idioten" auch als das interpretieren was sie sind, Zeitzeugen, aus einer Epoche, in der Freiheit kein Platz im Lexikon hatte, in der Niemand individuell sein durfte (gerade mal in den eigenen 4 Wänden, wenn diese dick genug waren).
Nenne es "Wind of Change" oder "Yes we can", es war Aufbruchstimmung und das nicht nur weil man endlich mal in den Urlaub fliegen wollte oder man Bananen auf dem Tisch haben wollte. Die Vereinheitlichung zwischen der DDR und dem Sozialismus an sich fällt einem leicht, wenn sich das System in dem du aufwächst mit roten Fahnen schmückt, du die gleichen Lieder in der Schule singst und dich die Götzenbilder jeden Tag daran erinnern wo du dich gerade befindest.....und nicht weg kannst. Mit etwas Einfühlungsvermögen fällt es einem leichter zu glauben, das als die Mauern einrissen Keiner mehr Ohren für: "…aber das war ja kein Sozialismus im eigentlichem Sinne" hatte. Erlebt ist erlebt und auch wenn einige Leute denken sich da einfach so einfühlen zu können, finde ich das doch eher anmaßend, aber ansonsten hört sich demokratischer Sozialismus für mein Verhältnis aus politischer Sicht ja nicht schlecht an.
Hinzu kommt, dass mir ein ähnlich expliziter Titel gegen das „braune Schweinepack“ (oder so) nicht aufgefallen ist. Da bleibt es dann bei relativ allgemein, vor allem unpolitisch gehaltenen Formulierungen gegen Hass, für den es auf einem Punkkonzert keinen Platz gibt. Ist es tatsächlich Zufall, dass viele Oi-Bands immer sehr deutliche Worte finden, wenn es gegen die verhassten „PC-Polizisten“ und die radikale Linke geht, auf der anderen Seite dann aber oft etwas „schwammig“ bleiben (sofern sie die überhaupt thematisieren)?
Tost: Das Textbeispiel bezieht sich auf „Gestatten Volxsturm“. Das war ein klassischer Openersong, als solcher für die Bühne geschrieben und eröffnet unsere 2. Veröffentlichung von 1998. Wir hatten bis dato tatsächlich aus unserer Sicht keinen eindeutigen Text, der unseren Standpunkt in Hinblick auf Rassismus deutlich macht. Hier in MeckPom gab es zu der Zeit eine sehr starke White Power Bewegung und die Vorraussetzung um Skin zu sein wurde von jüngeren Skins mit rechts gleichgesetzt. Die Distanzierung von Politik bezieht sich auf das in diesem Moment bestehende Konzertgeschehen und bezieht sich nicht so sehr auf das große rechts-links Thema, sondern eher auf die Facetten innerhalb eines Spektrums. Mit der Textzeile: "…und euren blinden Hass…" meinen wir eindeutig die damals erstarkende Rechte. Es sollte sich aus der ersten Strophe durchaus erschließen, dass wir diese ansprechen und wieweit unser Toleranzbereich geht. Zum Thema schwammige Aussagen: Texte sind lediglich Lippenbekenntnisse. Aus unserer Sicht ist es besser durch sein Handeln zu glänzen, d.h. auch in lokal schwierigen Zeiten haben wir uns keiner politischen Gewalt gebeugt und dafür so manches Mal auf die Fresse bekommen. Wir sind älter geworden, die Schläge wurden weniger und wir haben andere Formen der Auseinandersetzung gefunden. Durch Handeln glänzen heißt, wir haben niemals mit rechten Bands gespielt, keine Interviews in rechten Zines gegeben und schon immer darauf geachtet, wer mit wem zusammenarbeitet. Wir waren die erste Oi Band die Kampagnen wie GNWP unterstützte und sind in unserem Umfeld und auch persönlich eher links verortet. Was soll der Weichmacher "eher" vermitteln? Wir sind sicher in unseren Ansichten nicht so radikal links wie du oder Leute aus unserem Umfeld.
Bei aller stilistischer Eingeschränktheit der frühen Texte, macht es wenig Sinn, lediglich die kritikwürdigen Texte rauszusuchen und die aus unserer Sicht sozialkritischen auszublenden. Auch die gab es und auch wenn sie in recht einfacher Sprache verfasst sind, haben sie ihre Wirkung bei den Kids der damaligen Zeit nicht verfehlt. Es macht ebenso wenig Sinn, Erfahrungen aus dem eigenen sozialen Umfeld auf andere lokale Zustände lediglich aus der Theorie heraus zu projizieren. Das ist eine genauso pauschalisierend und vorverurteilend Haltung, wie du sie den Stammtischen vorwirfst. Die bisher angesprochenen Textbeispiele entstammen alle der 90er Jahre und blenden unsere letzten Veröffentlichungen komplett aus. Da du offensichtlich keine unserer Veröffentlichungen besitzt, fällt es mir schwer mich konstruktiv mit dir auseinanderzusetzen. Machen wir uns mal nix vor, das Ganze hier hat schon etwas ziemlich Anklagendes. Da ich aber gar nicht einsehe, auf der Büßerbank zu sitzen und Du einen schlechten Staatsanwalt abgibst, will ich Dir auch mal eine Frage stellen: Du misst uns als Band an Textaussagen die mittlerweile 10-15 Jahre alt sind, du kennst nicht eine CD von uns, geschweige denn uns persönlich noch unser Umfeld. Du warst noch auf keinem der einschlägigen Ostfestivals, über deren Publikum Du Dir eine so pauschalisierende Meinung bildest. Will sagen, deine ideelle Fahne hängt sehr hoch und Du lehnst Dich ganz schön weit aus dem Fenster des 4.Stockes. Meines Erachtens sollte der Anspruch, den man an Andere erhebt, den gleichen Maßstäben wie für sich selbst folgen.
Stahmer: Ich denke das Volxsturm seinen Anteil an der Endrechtsradikalisierung der 90er Jahre "Strassenkids" geleistet hat und das unser Wink mit dem Zaunpfahl für einige gereicht hat nen Absprung zu wagen. Es ging uns auch darum eine Alternative zu sein. Die Musik von früher hat vielen quergeschlagenen Figuren den Scheitel geradegezogen! Soll jemand widersprechen, dann kann er uns gerne seinen Anteil nennen.
Ein Teil der heutigen Oi! - Szene kommt sicherlich aus dem ehemaligen rechten Umfeld, aber ich kenne viele die nach jetzigem Standpunkt eindeutige Antifaschisten sind. So auch meine Erfahrung und da bin ich stolz drauf.
Hinkel: Mensch Atakeks, Du reitest hier auf nen Text rum, der mehr als eindeutig ist, verstehst du den etwa nicht? Vielleicht ist das der Grund, warum Bands eher deutliche Texte über „PC Polizisten“ schreiben, weil solche Leute wie Du anscheinend nur plakative, deutliche Worte verstehen können. Übrigens bleiben durch solche Lieder Rassisten von unseren Konzerten fern, also Ziel erreicht. Aber für DICH noch mal der Text:
Text: „Gestatten, Volxsturm“
Ja es ist wieder mal soweit
Wir sind da und sind bereit
Uns ist es völlig scheißegal
Ob schwarz, ob weiß
Ob bunt, ob kahl
Refr.:
Das hier ist ein Punkkonzert
Wir wollen nur unseren Spaß.
Bei Volxsturm ist kein Platz für
Euch und Euren blinden Hass.
Wir können auf euch verzichten,
Das ist uns sonnenklar,
Denn das ist kein Parteitag
Und auch keine Wahl.
Manche werden es nie verstehen
Und Du gehörst dazu.
In manchen Köpfen geht nichts rein,
Lass uns mit dem Scheiß in Ruh.
Refr.
Jede Silbe, eine jede Melodie
Ein jedes Wort an Euch
Wäre eines zuviel!!!
Mit „Lebenslang“ habt Ihr (1999/ 2000) ein Thema aufgegriffen, welches sich in der Oi- aber auch der Fascho-Szene außerordentlich großer Beliebtheit erfreut: Vergewaltiger, Pädophile, Kinderschänder. COMBAT 84 forderten in diesem Zusammenhang einst die Todesstrafe, LAST RESORT riefen jüngst erneut zur Selbstjustiz auf und EXPLOITED hatten fast genauso Cleveres beizusteuern. Ihr hingegen belasst es beim Beklagen der (angeblich!) zu geringen Strafen für solche Täter. Das entspricht im Wesentlichen der von der Boulevardpresse geförderten durchschnittsdeutschen Haltung zu dem Problem. Es werden ausschließlich die Opfer als Menschen wahrgenommen und die Tat betrachtet, um sich dann an seiner Wut zu berauschen. Aus meiner Sicht wird dabei 1) stets auf´s Neue die Frage nach den (auch gesellschaftlichen) Ursachen ignoriert – kein Mensch wird als Vergewaltiger geboren -, wird 2) verschwiegen, dass es in Deutschland noch viel zu wenig Therapieangebote gibt und wird in der Regel 3) eine falsche Vorstellung von den Tätern erzeugt, die zum größten Teil eben nicht der maskierte Fremde, sondern eher der „nette“ Verwandte oder Bekannte sind (die vielfach vorher selbst Opfer waren). Da Ihr anders als in „Mach die Augen auf“ behauptet, eben nicht die einzigen seid, die sehen wie „Perverse Kinder schänden“ (oder junge Mädchen vergewaltigt werden) – BILD, RTL usw. berichten trotz insgesamt rückläufiger Zahlen so oft wie möglich darüber – stellt sich die Frage warum ein so komplexes Thema noch einmal in derart vereinfachender Form abgehandelt werden musste…
Stahmer: Schwieriges Thema, aber auch da gilt die Devise: lieber nicht selbst erleben. ....und wenn doch was dann? Wie reagierst du? Einschließen? Kastrieren? Aufhängen? Anklagen oder Therapieren? Wenn er krank ist und untherapierbar, wäre eine Kastration ein Einschnitt seiner sexuellen Ausrichtung und Freiheit? .....wenn so etwas unter die Rubrik Sex fällt, höre ich lieber morgen auf damit. Krank sind sie, keine Frage und oft nicht zu heilen, doch interessiert mich dieser Punkt in einem geschriebenem Lied nicht sonderlich. das ist Privatsache. Es ist wie mit der Politik oder anderen Sachen: wir legen vor, ihr schießt das Tor. Jeder zieht sich das raus, was er braucht. Es gibt Sachen im Leben, die will und muss ich nicht verstehen. Wenn Du da so engagiert bist, könntest du dich auch therapeutisch mit dem sozialen Umfeld von Neonazis befassen! Keiner wird als Rassist geboren, gab’s etwa früher zu viel Schläge, zu wenig Liebe, wurde ihnen als Kind öfter das Essen vom Teller weg gestohlen und so wurden sie schließlich zu neurotischen Egoisten..... i don´t f... care. Es sind immer noch Lieder und die haben was mit Bauchgefühlen zu tun, mit Ehrlichkeit, nicht mit einer neutralen wissenschaftlichen Begutachtung aller Fakten. Wenn wir es anders täten könnten wir auch ein Lied über den Israel/ Palästina Konflikt schreiben und damit eine Lösung für beide Seiten anbieten, aber dann wären wir keine Oi Band, sondern Friedensnobelpreisträger! ;-)
Hinkel: Also erstens fällt mir auf, dass Du nur von den Tätern redest. Mir persönlich sind aber die Opfer näher als die Täter. Ergo, schreibe ich ein Lied über Sachen, welche sich für mich bestimmt nicht „außerordentlich großer Beliebtheit erfreut“ ( ich wünschte mir, so etwas würde es nicht geben und man bräuchte keine Songs darüber schreiben...), werde ich immer Partei für das Opfer ergreifen und nicht, aus Sicht des Täters den Song gestalten. Ich habe im Bekanntenkreis und leider auch im Familienkreis Opfer solcher Taten. Also schreib ich solche Songs. So lange wir als Band uns entschließen, solche Songs zu veröffentlichen, egal ob RTL und BILD darüber berichten ( ich hab nicht mal Privatfernsehen, weil ich es ablehne, also kann ich auch nicht wissen, welche Sender wie viel und über was sie berichten...). Ich habe in meinen Beruf oft genug mit solchen Straftätern zu tun gehabt und ich weiß sehr wohl, dass es in Deutschland sehr gute und auch viele Therapiemöglichkeiten gibt, aber Fakt ist auch, dass es Studien gibt, die besagen, dass wenn ein Täter sich Opfer sucht, die er nicht kennt, die Rückfallquote zu solch einer Tat sehr hoch eingeschätzt werden muss. So wie in diesem Lied von uns besungen. Sicher gibt es Punkte, weshalb ein Mensch so etwas tut und sicher sind es oft auch äußere Einflüsse, warum der Täter zum Täter wurde. Gar keine Frage, da bin ich der gleichen Meinung wie du, ABER ich bin der Meinung, dass jeder für seine Missetaten auch gerade stehen muss. Du kannst vielleicht solchen Themen sachlich begegnen, ICH reagiere da aber sehr emotional. Ich kriege einfach das kotzen, wenn ein Täter 2 Jahre auf Bewährung bekommt. Auch fordere ich nicht höhere Strafen im Gesetz, sondern ,dass das Strafmaß auch angewendet wird, welches das Gesetz möglich macht.
Tost: Der Text versucht die Ohnmacht und Hilflosigkeit von Eltern und eines jungen Mädchens zu transportieren und beschreibt in erster Linie ein emotionales Dilemma gegenüber einem sachlichen Problem. Mal abgesehen davon, dass nicht alle Vergewaltiger pädophil sind und somit im Umkehrschluss auch nicht alle Vergewaltiger als krank gelten können. Statistisch gesehen sind die meisten Vergewaltigungsopfer in Deutschland im Alter von 14- 21 Jahren.
Themen wie Macht über Andere, eine Selbstbedienungsmentalität wie sie durch die Pornoindustrie kolportiert wird, Gewalt gegen Andere usw. sind sicher Facetten, die hier mit reinspielen und jeder Fall muss individuell beleuchtet und bewertet werden.
Durch Bands wie die BAD BRAINS, AGNOSTIC FRONT oder die DROPKICK MURPHYS sind über die Jahrzehnte immer wieder homophobe Inhalte in „die Szene“ getragen worden, sei es nun in Interviews oder Song-Texten. Es gab natürlich auch eine ganze Reihe von entgegen gesetzten Songs (s. OI POLLOI, „When two men kiss“), aber vor ein paar Jahren haben die LOS FASTIDIOS dann mit „Johnny & The Queer Boot Boys“ einen wie ich finde außerordentlich bemerkenswerten Beitrag zu dem Thema geleistet. Bemerkenswert deshalb, weil ich den Eindruck habe, dass so eine Haltung, die Toleranz einfordert, im Oi-Genre nach wie vor nicht gerade selbstverständlich ist. Wie seht bzw. erlebt Ihr das? Glaubt Ihr, dass derart klare Ansagen von Nöten sind, dass Homophobie in Teilen „unserer Szene“ nach wie vor ein Problem darstellt?
Tost: Ich lehne gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit genauso ab, wie irgendwelche Gutmenschendiskussionen. Ich habe nichts gegen Schwule & Lesben, aber mach mir andererseits auch keinen Regenbogenaufkleber auf`s Auto. Ich toleriere ihre Lebensweise im gleichen Maße wie sie meine Toleranzgrenzen nicht überschreiten. Im übrigen arbeite ich in einer Werkstatt für behinderte Menschen und bin es durchaus gewohnt mit Menschen zu tun zu haben, die „anders“ sind. Die sexuelle Orientierung ist in der Gesamtheit mein kleinstes Problem.
Frei flottierende Angst macht sich häufig da breit, wo man mit der Realität nicht in Berührung kommt. Ich kenne schwule und lesbische Menschen, frag aber auch nicht jeden beim ersten Handschlag nach seiner Ausrichtung. Genauso ist es mir egal was Du mit Deiner Freundin treibst. (Anm. Keks: Das würde ich so nem hochanständigen Menschen wie Dir auch gar nicht erzählen wollen…) In der Szene kenn ich mindestens 3 Skins die mit ihrem Schwulsein offen umgehen und in dieser akzeptiert und involviert sind. Vielleicht bin ich auch einfach der falsche Ansprechpartner, weil vorurteilsbehaftete Angst und eine damit verbundene ablehnende Haltung eventuell eher ein Thema jüngerer Leute ist. Der Irrglaube, schwule Menschen würden alles vögeln wollen was nicht bei 3 auf den Bäumen ist, gehört auch eher ins Reich der Mythen.
Stahmer: hahaaaaa da kennst du Hamburg Moe aber nicht richtig, der fängt gar nicht erst an zu zählen!!!! Nee im Ernst, man sollte doch mal alles im Zusammenhang betrachten. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich so viel getan und es wird auch mal Zeit die positiven Änderungen in der Kultur des Menschen im Umgang mit sich selbst zu erwähnen oder überhaupt mal wahrzunehmen. Schwule Parteivorsitzende, "schwarze" Präsidenten, Frauen im Bundeskanzleramt. Es gibt auf diesen Sektoren zwar noch für Hundert Jahre Arbeit, aber dieses ständige Schwarzmalen geht nicht nur anderen auf die Nerven, man kommt ja nie wirklich weiter wenn man das Errungene nicht mal zu feiern weiß.
Man muss auf der anderen Seite auch nicht gleich seine „bedingungslose“ Akzeptanz mit nem Schwanz im Mund rausbrüllen! ;-)
Hinkel: Ich hab auch kein Problem mit homosexuellen Menschen. Im Bekannten- und Kollegenkreis kenn ich viele. Selbst in unserer Szene kenn ich zwei Leute die homosexuell sind und ein Cousin von mir ist es auch. Trotzdem möchte ich nicht, dass mein Sohn schwul wird. Wenn er es wird, na ja, dann ist es halt so.
Die Schwulen oder Lesben, die ich kenne, können auch mal über nen „Homowitz“ lachen, gar kein Problem. Im Endeffekt ist es doch scheißegal, was wer mit wem in seinem Schlafzimmer treibt. Das interessiert mich nicht und vielen Anderen ist es auch egal. Ich denke nicht, dass wir solche Songs unbedingt brauchen, weil’s den meisten Leuten einfach Rille ist. Aber jede Band kann natürlich über das singen, was sie bewegt und wenn du gerne solche Songs über Homosexualität und ihre Probleme hören möchtest, dann musst DU das tun. (Anm. Keks: Leider ist überhaupt nicht festzustellen worin ich schlechter bin: Singen oder Gitarrespielen…) Ich kenne die Songs nicht, hab eh nur die alten Sachen von Oi Polloi (seit ca. 1993/94 hab ich nix mehr von denen gehört) und von den Italienern hab ich nur eine Platte. Dafür habe ich aber mehrere LP`s von den Murphys, von Agnostic Front und Bad Brains sind eh der Hammer. Platten von den genannten Bands gibt es ja auch in Eurem Plastic Bomb Mailorder und man darf nicht alles mit seinem Duisburger Horizont über einen Kam scheren.
In sehr vielen Oi- und Streetpunk-Texten geht es um Kraft, Stolz und Stärke, um´s Kämpfen usw. Meist bleibt dabei verhältnismäßig unklar wofür und wogegen. In meinen Augen wird auf diese Weise nicht zuletzt auch ein durchaus bedenkliches Männerbild vermittelt, das dem rechter Gruppierungen fraglos verwandt ist und somit zwangsläufig auch einen Ansatzpunkt für Beeinflussungsversuche von dieser Seite liefert. Haltet Ihr dieses immer wiederkehrende Beschwören der saufenden und prügelnden Männergemeinschaft grundsätzlich für unproblematisch oder gab/ gibt es Punkte an denen Euch das auch zu viel ist, wo´s auch für Euch in eine falsche Richtung läuft?
Tost: Welches Männerbild ist denn unbedenklich oder angemessen? Ist das emanzipatorische Bild von Frauen in Hinblick auf Männer manchmal besser? Sollen wir nach dem Niedergang des Patriarchats das Matriarchat ausrufen? Fragen, zu denen Du mir keine Antwort geben musst, sondern die jeder für sich selbst beantworten muss. Genauso halten wir es in unseren Texten. Wir appellieren an die innere Stärke auch Niederschläge des Lebens zu verkraften, sich dadurch nicht entmutigen zu lassen, seinen Weg zu finden und diesen auch zu gehen. Dafür findest Du in unseren Texten viele Beispiele. Ich denke, dein Ansatz ist zu kopflastig und vorurteilsbehaftet. Daher hängst Du gedanklich immer am Thema Klassenkampf, aber das Leben und sich seinen Freiraum in diesem zu erhalten ist ein täglicher Kampf und darüber singen wir. Ich meine gar nicht den martialischen Oberkörperfreiskin, sondern der Kampf den ich meine findet eher im Kleinen und Alltäglichen statt und jeder der lebt, kann sicher ein Lied davon singen.
Stahmer: Die falsche Richtung wäre es sicherlich, wenn man sich nach einer exzessiv gelebten Jugend selbst zerstörerisch weiter in den Abgrund säuft und nie, statt später, anfängt seine grauen Zellen anzustrengen. Auch hier geht’s aber eher um Grundsätzliches: Aufwachsen, Scheiße sein, Scheiße bauen, selber daraus lernen um irgendwann an seine evolutionären Grenzen zu stoßen. Wo da jetzt jeder Einzelne seine Erfüllung sieht, muss man, na klar, selber ausloten. Entscheide Dich: Bauwagen oder Spießer!
Text „Tanz“
Das ist mein Weg, den ich geh
Meine Richtung in die ich seh
Das ist mein Punkt, auf dem ich steh
Das ist mein Lebensweg, den ich geh
Ich hab mein Ziel ganz klar in Sicht
Verlogenheit, die bricht das Licht
Keinen Umweg, immer geradeaus
Ich muss hier weg, ich will hier raus
Doch du hast nur die eine Chance
Finde den Weg und die Balance
Wenn du nur auf Andere hörst
Dir deine Zukunft selbst zerstörst
Ref.: Ist das die Richtung die du wählst?
Ist das der Weg, den du gehen willst?
Tanz aus der Reihe
Tanz, tanz aus der Reihe
Ich brauch Keinen der für mich denkt
Brauch kein Arschloch, das mich lenkt
Nehm mir die Freiheit, die ich brauch
Denk mal mit dem Kopf und mal mit dem Bauch
Monotonie und die Farbe grau
Gibts schon zuviel, oder willst du das auch
Spring mit auf, begleit mich ein Stück
In meine Richtung es gibt kein Zurück
Gehst du nur schon beschrittene Wege
läufst du der Masse hinterher?
Fangen wir vorne an: In der letzten Ausgabe habe ich, der/die eine oder andere wird sich erinnern, den aktuellen SLIME-Tribut-Sampler verrissen. Dies sorgte, wie zu erwarten war, für einige schwer empörte Reaktionen. Unter anderem meldete sich Thomas, der Drummer von VOLXSTURM, mit einer Rundmail an die Redaktion zu Wort und betonte, dass die Band weder etwas mit Patrioten zu tun habe noch „unpolitisch“ sei. Daraus entwickelte sich in der Folge ein längerer „Briefwechsel“, vor allem zwischen ihm und mir, und schließlich kamen wir überein die Diskussion in ein Interview einfließen zu lassen. Da ich Thomas und seinen Bandkollegen durchaus abnehme, dass sie sich als antifaschistisch und, wie er schrieb, „eher links“ betrachten, sollten sie Gelegenheit bekommen nun auch ihre Sicht der Dinge in diesem Straßenköterkampfblatt darzulegen. Zugleich wollte ich dieses „eher links“, das mir an VOLXSTURM in der Vergangenheit nie aufgefallen war, aber auch an verschiedenen Punkten abklopfen und konkretisieren. Ich las also zunächst sämtliche Texte, die mir von der Band zugänglich waren, lieh mir schließlich ihre letzten beiden Veröffentlichungen von einem freundlichen Arbeitskollegen und sah mir einige Interviews im Netz an. Die Vorgehensweise eine Band (wie auch z. B. einen Schriftsteller) vor allem anhand ihres Outputs zu beurteilen, ohne dabei ausgedehnte Biographieforschungen zu betreiben, halte ich übrigens für völlig legitim, zumal, sieht man vom engeren Kern einer eingeschworenen Fangemeinde ab, den meisten Menschen die persönlichen Hintergründe in der Regel weitestgehend unbekannt sind. Der „Künstler“ muss sich letztlich an dem messen lassen was er zu Papier und zu Gehör bringt.
Was ich fand, waren wahrlich nicht nur Texte über´s Saufen, das zu behaupten wäre unfair. Tatsächlich gab es einige „Unity“-Statements, die jedoch vor allem davon handelten als Punx und Skins entweder zusammen zu Feiern oder zusammen durch die Straßen zu ziehen und es den Spießern mal zu zeigen. Das ist fraglos nett, steht aber, abgesehen von den Frisuren, in keinem großen Gegensatz zu der von mir gebrauchten Formulierung „unpolitische Durchschnittsdeutsche“, denn auch manch braver Bürger schlägt im Alkoholrausch gern mal etwas über die Stränge, in einer später abzulegenden „wilden Jugend“ sowieso. Des Weiteren stieß ich auf eine anti-rassistische Zeile („Uns ist es völlig scheißegal, ob schwarz ob weiß…), die ich durchaus als noch begrüßenswerter, nicht aber als „politisch“ oder gar „eher links“ erachte. Kein Rassist zu sein ist die Minimalanforderung, die man an jeden Mitbürger, gleich ob sonst völlig desinteressiert, Grüner oder CDU-Wähler, stellen sollte. Gesunder Menschenverstand, nicht mehr (aber immerhin auch nicht weniger). Das bringt uns allerdings auch zum Kernproblem dieses Interviews. Ich bin nämlich der Auffassung, dass man, auch ohne dem NPD- und Kameradschaftspack oder ähnlichen Vollpfosten nahe zu Stehen, tendenziell rechte (nicht rechtsextreme!) Inhalte verbreiten kann und das eben davon eine ganze Menge auch in „unserer Szene“ unterwegs sind. Deshalb und nicht weil es gegen VOLXSTURM ganz spezielle „Verdachtsmomente“ gegeben hätte, habe ich sie unter anderem zu Männer- und Frauenbildern/ -rollen und ihrem Verhältnis zu (besonders in den weniger politisierten Teilen der Szene nicht selten anzutreffenden) homophoben Standpunkten befragt. Deshalb hielt ich ihren „Arbeitsbegriff“ für relevant. Und nicht zuletzt diese Frage betreffend, lässt sich in ihren sozialkritischen Texten meiner Meinung nach auch genau jenes reaktionäre, vielfach unpolitische Weltbild nachweisen, dass u. a. dem bundesdeutschen Meinungsmainstream unterstellt werden darf. Es wird getragen von dem Glauben an das bestehende Wirtschaftssystem, zu dem es für Anti-Kommunisten wie VOLXSTURM schlussendlich ohnehin keine Alternative gibt, und suggeriert trotz aller Kritik, dass gerechte Löhne und in ausreichendem Maße vorhandene Arbeitsplätze in der Marktwirtschaft möglich wären oder theoretisch sein sollten. Was auf das Selbe hinausläuft, nämlich das so irrwitzige wie reaktionäre Bild vom „guten Unternehmer“, der sich seiner sozialen (und patriotischen) Verantwortung bewusst ist, was dann wiederum (auch wenn von VOLXSTURM definitiv NICHT(!) so gedacht) zwangsläufig auf die angebliche Versöhnung der Klassengegensätze in der Volksgemeinschaft hinausläuft. Hinzu kommt die Fetischisierung der „Arbeit“, sinngemäß: „Es ist besser zu arbeiten, als Geld vom Staat zu kassieren!“ Nichts an dieser Perspektive ist links oder „eher links“.
Es gibt aber noch eine Reihe von anderen Punkten, die mich daran hindern mich an dieser Stelle bei der Band für meinen Verriss zu entschuldigen. Zwei seien noch kurz angesprochen: Da wäre zum einen ihr Song über einen Sexualstraftäter, an dem mich, wie bei allen anderen Texten, weniger der persönliche Hintergrund interessiert, sondern vor allem die grundsätzlich meinungsbildende Wirkung öffentlicher Äußerungen und die gesamtgesellschaftliche Debatte, in welche sich das Lied notwendigerweise einfügt. Zum anderen finde ich die Bandfreundschaften, welche VOLXSTURM als vermeintlich „eher linke“ und antifaschistische Kapelle weiterhin pflegen, mehr als befremdlich. Da ich die Antworten jedoch erst am Abend des offiziellen Redaktionsschlusses erhalten habe und keine Gelegenheit mehr hatte nachzuhaken, kann ich auf einige Anmerkungen im Schlussteil nicht verzichten. Nicht weil ich der Band unbedingt nachträglich noch an den Karren pissen will, sondern weil es meinem Verständnis von „kritischem Journalismus“ widerspricht, derart verharmlosende Statements unwidersprochen und unhinterfragt so stehen zu lassen.
Nichtsdestotrotz möchte ich sagen, dass mich die Auskunftsbereitschaft der Band wie auch die gesamte Auseinandersetzung durchaus gefreut haben und auch wenn hier teilweise völlig unvereinbare Standpunkte mit einer gewissen Wucht aufeinander geprallt sind, war die ganze Angelegenheit auch keine stets todernste… Und es soll hier nicht verschwiegen werden, dass VOLXSTURM musikalisch wie textlich durchaus eine gewisse Weiterentwicklung vollzogen haben. Nur sind da leider aus meiner Sicht eben keine für die Diskussion um „eher links“ und „poltisch/unpolitisch“ relevanten, sprich unerwartet Neues bringenden Songs mehr hinzugekommen. So far…
ATAKEKS
Keine Ahnung, ob Ihr schon mal mit einem Interview im PB vertreten wart. Daher vielleicht ein paar kurze Worte zur Bandgeschichte? Aktuelle Besetzung? Nur mal so zum warm werden… Und wie sah Eure Punk-/ Oi-Sozialisation aus?
Hinkel: Die Band wurde 1991 in Schwerin gegründet, wie viele andere Bands zu dieser Zeit auch. Aus Mangel an Freizeitangeboten war das ein guter Ausgleich um seine Wochenenden mit viel Spaß auszufüllen. Bis 1993 gab es von uns nur Gigs/ Proben in unserem Proberaum. Die damalige Besetzung waren Norman (Bass), Robert (Gitarre), Troidler (Schlagzeug). Gesungen hat damals meist Ernie oder ich, da wir meistens eh mit waren oder Robert übernahm den Gesang, wie auch bei den ersten zwei Volxsturm Konzerten außerhalb des Proberaums. Aus dieser Zeit existieren „nur“ Proberaumtapes, wovon auch einige Sonx auf verschiedenen Punk-Rock- Tape-Samplern der damaligen Zeit erschienen. 1994 veröffentlichten wir unser erstes offizielles Demo-Tape und 1995 unsere EP. Wenn du mehr erfahren möchtest, guck dir unsere DVD „ Immer hart am Wind“ an, da erzählen wir ein bisschen ausführlicher oder les einfach auf www.volxsturm.de ne Bandstory bis nach der Entstehung unserer LP „Oi! Is fun!“.
Wie kam Eure Beteiligung am SLIME-Tribute zu Stande?
Stahmer: In erster Linie aus persönlichem Interesse, auch wenn wir jetzt mitten im Leben stehen und unsere Gesichter langsam Jahresfalten aufweisen, leben wir noch immer ein Stück der rebellische Seite. Slime ist ein Teil unserer Jugend, aber auch heute noch lauschen wir gerne den aufrührerischen Klängen. Ein schönes Ventil um das Angestaute im Bauch mal wieder auszukotzen.
Tost: Ich geb mal die Sachantwort. Ich habe davon gelesen und mein Interesse auf den letzten Drücker bei Christian/ Sunny Bastards angemeldet. Dann haben wir uns jeder für sich das Gesamtwerk durchgehört und jeweils 1-2 Songvorschläge in den Proberaum mitgebracht. In die engere Auswahl kamen dann „Seekarten“, „Wind“ und „Gewinnen werden immer wir“. „Seekarten“ war schon weg, mit „Wind“ taten wir uns in der Umsetzung schwer und „Gewinnen werden immer wir“ war sogar noch frei.
Ihr habt vor allem in Euren Anfangstagen immer wieder gefordert, dass sich Punx und Skins von der „Scheiß-Politik“ befreien und unter der großen „unity“ war Euren Texten nach vor allem das zusammen feiern und saufen zu verstehen. Ich nenne das unpolitisch. Aus was für einer Situation sind diese Songs damals entstanden und wie steht Ihr heute zu dem Wort „unpolitisch“?
Tost: „…immer wieder gefordert…“ ist eine maßlose Übertreibung, handelt es sich doch lediglich um einen Text ;-). Es ist nat. immer schwierig etwas in 3 min. Liedern unterzubringen und Lyrikpreise gewannen wir schon damals nicht, aber insbesondere in jungen Jahren sind wir nicht immer reflektiert durch die Gegend gelaufen und wollten manchmal wirklich lediglich zusammenfeiern und saufen (bezogen auf Textbeispiel aus "Oi!" von 1994) Mal abgesehen davon, scheinst Du in deiner Argumentation stets davon auszugehen, das Skins mit rechts gleichzusetzen sind und somit, wenn über die Befreiung von den Zwängen der Parteipolitik gesungen wird, wir immer gleich den demokratischen Sektor verlassen müssten…
Hinkel: Das Lied hat Robert 1992 oder 1993 geschrieben und war eine Beschreibung der lokalen Zustände bzw. für die lokale Szene gedacht. Wir haben damals nicht im Entferntesten daran gedacht, Sprachrohr für eine deutschsprachige Szene sein zu wollen. Dieser Text spiegelte bloß unser Umfeld wider. In Schwerin hingen die Skins, die nicht rassistisch waren mit den Punx ab und unsere damalige Band bestand ja auch aus 2 Punks und 2 Skinheads. Es gab aber auch Skinhead-Crews wie die damalige Skinhead –Szene in Greifswald, wo Punx keine oder nur eine geringe Rolle spielten. Dort gab es nur Glatzen, die damals nichts gegen Punx hatten, aber lieber unter sich blieben. Aber auch in anderen Städten, wie Neubrandenburg hingen dann Punks und Skins miteinander ab.
Platten aus dem Skinhead-Sektor erschienen ja meist zu der damaligen Zeit bei ROR und waren thematisch zu diesem Thema ja eher gegen den Unity- Gedanken und strotzten oftmals vor rechtsradikaler Politik. Unpolitische Bands waren halt Bands, die mit dieser Politik damals nix zu tun hatten/haben wollten. Gerade in der ehemaligen Ostzone schossen ja Bands wie Pilze aus dem Boden. Unpolitisch zu sein war damals echt gefährlich, weil man bei den eher rechten Skins als „Verräter“ angesehen wurde und stand auf den Listen oftmals ganz weit oben. Da waren die Punx oder sogar „Linke“ nicht soooo gesucht wie wir. Wir waren Feindbild Nr.1 für die. Da ging es oft ums nackte Überleben und das ist keine Übertreibung. Später wurde das Wort „unpolitisch“ durch die Linken ja zum Unwort, mit all den Vorwürfen, man feiert mit Nazis, obwohl man selber keiner ist usw.. Was zu damaliger Zeit gar nicht gegangen wäre.
Text: „Oi!“
Wieder zieh`n Sie durch die Strassen; dieses mal aber allein.
Der Skinhead schimpft auf`s Punkerschwein und der Punker auf das Skinheadschwein.
Warum kann es nicht wie früher sein alle zusammen und alle vereint?!
Lasst uns mal wieder zusammen feiern, uns von dieser Scheiß Politik befreien.
Sie hat noch nie gehalten, was sie versprochen hat.
Lasst doch davon endlich ab!
Wir brauchen keinen der uns sagt, was wir tun und lassen soll`n.
Wir geh`n unseren Weg zusammen, auch wenn es für Sie nicht der richtige ist.
Refr.
Oi! Oi! Das ist das was uns vereint
Oi! Oi!- Musik, Lass den Alltag, den Scheißalltag sein.
Wenn wir alle zusammenhalten, kann uns keine Macht der Welt mehr spalten.
Zusammen sind wir stark
Zusammen sind wir die Macht!!!
Ein ebenfalls sehr alter Song von Euch heißt „Rote Idioten“ und spiegelt in seiner undifferenzierten Gleichsetzung von sich „kommunistisch“ schimpfenden Diktaturen mit der sozialistischen Idee (wenigstens aus meiner Perspektive) genau das, was die konservativen und wirtschaftsliberalen Macher des bundesdeutschen Meinungsmainstreams seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig zum Schlechtesten geben: Sozialismus = Diktatur, DDR = Stalinismus. Deshalb finde ich es erfreulich, dass Ihr Euch entschieden habt das Stück nicht mehr zu spielen. Allerdings habt Ihr ja auch persönliche Erfahrungen mit diesem so genannten „real existierenden Sozialismus“ gemacht. Erzählt doch mal wie der Text entstanden ist und warum Ihr ihn dann doch aus dem Live-Programm genommen habt…
Text: „Rote Idioten“
Der alte Geist ist neu erwacht
und wenn er sich entfaltet, wird es dunkle Nacht.
Die alten Phrasen in neuem Licht,
sie wollen nur die Macht, was anderes woll`n sie nicht.
Ohne viel Gewissen werden Menschen ausgenutzt,
da sie gebraucht werden- einfach benutzt.
Habt Ihr vergessen, was sie uns angetan?!
Wollt Ihr ihre Lügen fressen, dann seid Ihr geistig arm.
Refr.
Sie kommen wieder und singen ihre Lieder
die roten Idioten, die roten Idioten
Andersdenkende werden ausradiert,
denkt an früher !! Habt Ihr`s nicht kapiert?!
Wie man Punx verhaftet hat,
doch ich hab die Scheisse längst schon satt.
Lasst Euch bloß nicht mit ihnen ein,
sind sie an der Macht, sperren sie uns ein.
Jetzt noch sind sie Euch gut Freund,
doch passt bloß auf, denn der Schein täuscht.
Hinkel: Den Text habe ich irgendwann Anfang der 90er Jahre geschrieben und er hatte einen persönlichen Hintergrund. Das ehemalige FDJ-Haus wurde zum Jugendhaus und verschiedene neu gegründete Jugendgruppen bekamen Räume. Dort gab es dann Werkstätten, Proberäume oder einfach Büros. Das Haus stand somit allen Jugendlichen offen. Wir hingen immer in so einer Art Cafe ab, wo man Bier trinken und Musik hören konnte. Irgendwann wurde dieser Raum aber der (neu gegründeten, oder der noch gar nicht aufgelösten?) FDJ zu gesprochen und sie wollten aber das Cafe erhalten. Nur renoviert sollte es werden. Ältere Punkrocker oder Glatzen, die schon seit Mitte der 80er Jahre in der Szene waren, kamen auch manchmal zu uns, mochten aber die alten und neuen FDJ/ PDS- Kader gar nicht. Viele waren von diesen Leuten zu DDR Zeiten angeschissen worden. Na ja, Ende vom Lied war, als der Raum renoviert war und so einige von uns da mitgeholfen hatten, bekamen wir alle Hausverbot in diesem Raum. Auch die Geschichten von den Älteren, mit all den Drangsalierungen zu DDR Zeiten, die teilweise mehr als heftig waren, brachten mich dazu, meine Gedanken zum Thema niederzuschreiben. Irgendwann fragte mich Heiko (stadtbekannter Punkrocker), wo dieser besagte Text ist, den er mal bei mir im Zimmer liegen sah und sagte, macht daraus ein Lied. So ist dieser Song entstanden. Seit dem Weggang von Troidler und Norman spielen wir diesen Song nicht mehr live, da er nach unserer Meinung nicht mehr aktuell ist, wir anderen Songs mehr Aufmerksamkeit gaben bei der Einarbeitung der „neuen“ Jungs und wir lieber „ Ohne Sinn“ von L´Attentat mit ähnlicher Richtung spielen, da das eine sehr gute Band war, der Sänger Reudnitz mehr als ein netter Zeitgenosse ist und solche Bands nicht in Vergessenheit geraten sollen. Außerdem singt da Robert und ich hab da mal 3 Minuten Pause...
Ach, da fällt mir gerade ein, das wir zu unserem 15 jährigen Jubiläum nur Songs von 1991 bis 1997 im Punkrock-Cafe „SUBVERSIV“ in Schwerin gespielt haben. Wir feierten dort vor alten Weggefährten der Band und spielten selbstverständlich auch diesen Song. Eine schöne Festlichkeit mit Frikadellen, Kartoffelsalat, Kuchen und Würstchen am Nachmittag vor unserem Gig mit unseren schwedischen Freunden Perkele.
Tost: Rote Idioten- Ein Song der wohl für die meisten Missverständnisse gesorgt hat und auch wenn er erst 1996 erschienen ist, so ist es doch ein Song aus den ersten Jahren von Volxsturm.
Situationsbeschreibung: die erhoffte Wende kam, die blühenden Landschaften nicht. Unsere Eltern wurden arbeitslos oder waren in "Nullbeschäftigung" und somit reichlich frustriert. Wir flüchteten vor den Auswüchsen dieser Frustration in Ermangelung an Alternativen auf die Straße (wie pathetisch), da vormals bestehende Zufluchtsorte wie Jugendclubs geschlossen wurden. Kein Umfeld in dem positive Gedanken in Hinblick auf die eigene Ausbildung reifen, aber guter Nährboden für Rattenfänger jeglicher Couleur. Zu diesen gehörte aus unserer Sicht auch die damalige PDS, Nachfolgepartei der SED, eine Partei, die ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet hatte und die mit der kommunistischen Plattform Heimstatt für alte SED Kader war, die ihre DDR zurück wollten. Der Text bezieht sich auf diese Situation und war als Warnung gedacht, das Alte aufgrund der Schwierigkeiten mit dem Neuen nicht wieder leichtfertig heraufzurufen. Er ist nicht übertragbar auf die gesamtdeutsche Situation und vor allem nicht auf die jetzige Situation. Schon damals wurde er insbesondere von westdeutschen Linken missverstanden und wir haben uns zu diesem Text oft erklärend geäußert. Da wir uns aber der hervorgerufenen Missverständnisse bewusst waren, ist der Song ca. ab 1996 nicht mehr in unserem Liveprogramm. Darüber hinaus wurden wir mit dem Text in eine Ecke gedrängt, in die wir nicht gehörten, entstammen wir in der Mehrzahl doch der Punkszene und hingen mit diesen gemeinsam rum. Zum Thema Sozialismus: Ideen werden immer an der Realität gemessen und unabhängig von der DDR hat bisher kein real existierender sozialistischer Staat den Beweis angetreten, das die Idee des Sozialismus unter Wahrung der Freiheit des Individuums realisierbar ist. Wenn eine Idee (so lobenswert sie auch sei) zur einzigen Maxime des Handelns wird und alle, unabhängig vom freien Willen, zum Gelingen dieser beitragen müssen, wird sie zum Dogma und in Folge dessen mit repressiven Maßnahmen im Sinne des Allgemeinwohles durchgesetzt. Daher bin ich in Hinblick auf meine persönlichen Erfahrungen froh, dass trotz aller Schwächen des jetzigen Systems, ein Wandel stattgefunden hat. Der Versuch, einen demokratischen Sozialismus zu erschaffen, ist aus meiner Sicht aus vorher benannten Gründen schon im Ansatz nicht möglich. Mag auch an der Schwäche der Menschen innerhalb einer Gesellschaft liegen und der Widerstand der anderen, kapital. Staaten und damit einhergehende Blockaden und Isolierungen werden nicht zum positiven Gelingen beitragen. Um es aber auch noch mal deutlich zu sagen: es ging den Menschen in der DDR 1989 mehrheitlich nicht um eine Rettung/ Übernahme durch den Westen, sondern um eine Veränderung der bestehenden Missstände von innen heraus. Kohl und wehende Deutschlandfahnen kamen später und wurden von vielen als blanker Revanchismus wahrgenommen. Auch ich war, als damals 19 jähriger, Unterstützer des neuen Forums um Bärbel Bohley und wollte, wie so viele auch, nicht die Souveränität eines 2.deutschen Staates und damit die Chance eines "dritten Weges" aufgeben. Der Mensch ist jedoch schwach und die Mähr von "blühenden Landschaften" trug zu einem fulminanten Wahlergebnis für die CDU bei. Der Einzige, der damals die Wahrheit sprach, war Lafontaine mit: „…die deutsche Einheit wird nicht aus der Portokasse bezahlt werden können.“ Doch leider gilt: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, aber nicht alles mit mal.“
Stahmer: Du müsstest Texte wie "Rote Idioten" auch als das interpretieren was sie sind, Zeitzeugen, aus einer Epoche, in der Freiheit kein Platz im Lexikon hatte, in der Niemand individuell sein durfte (gerade mal in den eigenen 4 Wänden, wenn diese dick genug waren).
Nenne es "Wind of Change" oder "Yes we can", es war Aufbruchstimmung und das nicht nur weil man endlich mal in den Urlaub fliegen wollte oder man Bananen auf dem Tisch haben wollte. Die Vereinheitlichung zwischen der DDR und dem Sozialismus an sich fällt einem leicht, wenn sich das System in dem du aufwächst mit roten Fahnen schmückt, du die gleichen Lieder in der Schule singst und dich die Götzenbilder jeden Tag daran erinnern wo du dich gerade befindest.....und nicht weg kannst. Mit etwas Einfühlungsvermögen fällt es einem leichter zu glauben, das als die Mauern einrissen Keiner mehr Ohren für: "…aber das war ja kein Sozialismus im eigentlichem Sinne" hatte. Erlebt ist erlebt und auch wenn einige Leute denken sich da einfach so einfühlen zu können, finde ich das doch eher anmaßend, aber ansonsten hört sich demokratischer Sozialismus für mein Verhältnis aus politischer Sicht ja nicht schlecht an.
Hinzu kommt, dass mir ein ähnlich expliziter Titel gegen das „braune Schweinepack“ (oder so) nicht aufgefallen ist. Da bleibt es dann bei relativ allgemein, vor allem unpolitisch gehaltenen Formulierungen gegen Hass, für den es auf einem Punkkonzert keinen Platz gibt. Ist es tatsächlich Zufall, dass viele Oi-Bands immer sehr deutliche Worte finden, wenn es gegen die verhassten „PC-Polizisten“ und die radikale Linke geht, auf der anderen Seite dann aber oft etwas „schwammig“ bleiben (sofern sie die überhaupt thematisieren)?
Tost: Das Textbeispiel bezieht sich auf „Gestatten Volxsturm“. Das war ein klassischer Openersong, als solcher für die Bühne geschrieben und eröffnet unsere 2. Veröffentlichung von 1998. Wir hatten bis dato tatsächlich aus unserer Sicht keinen eindeutigen Text, der unseren Standpunkt in Hinblick auf Rassismus deutlich macht. Hier in MeckPom gab es zu der Zeit eine sehr starke White Power Bewegung und die Vorraussetzung um Skin zu sein wurde von jüngeren Skins mit rechts gleichgesetzt. Die Distanzierung von Politik bezieht sich auf das in diesem Moment bestehende Konzertgeschehen und bezieht sich nicht so sehr auf das große rechts-links Thema, sondern eher auf die Facetten innerhalb eines Spektrums. Mit der Textzeile: "…und euren blinden Hass…" meinen wir eindeutig die damals erstarkende Rechte. Es sollte sich aus der ersten Strophe durchaus erschließen, dass wir diese ansprechen und wieweit unser Toleranzbereich geht. Zum Thema schwammige Aussagen: Texte sind lediglich Lippenbekenntnisse. Aus unserer Sicht ist es besser durch sein Handeln zu glänzen, d.h. auch in lokal schwierigen Zeiten haben wir uns keiner politischen Gewalt gebeugt und dafür so manches Mal auf die Fresse bekommen. Wir sind älter geworden, die Schläge wurden weniger und wir haben andere Formen der Auseinandersetzung gefunden. Durch Handeln glänzen heißt, wir haben niemals mit rechten Bands gespielt, keine Interviews in rechten Zines gegeben und schon immer darauf geachtet, wer mit wem zusammenarbeitet. Wir waren die erste Oi Band die Kampagnen wie GNWP unterstützte und sind in unserem Umfeld und auch persönlich eher links verortet. Was soll der Weichmacher "eher" vermitteln? Wir sind sicher in unseren Ansichten nicht so radikal links wie du oder Leute aus unserem Umfeld.
Bei aller stilistischer Eingeschränktheit der frühen Texte, macht es wenig Sinn, lediglich die kritikwürdigen Texte rauszusuchen und die aus unserer Sicht sozialkritischen auszublenden. Auch die gab es und auch wenn sie in recht einfacher Sprache verfasst sind, haben sie ihre Wirkung bei den Kids der damaligen Zeit nicht verfehlt. Es macht ebenso wenig Sinn, Erfahrungen aus dem eigenen sozialen Umfeld auf andere lokale Zustände lediglich aus der Theorie heraus zu projizieren. Das ist eine genauso pauschalisierend und vorverurteilend Haltung, wie du sie den Stammtischen vorwirfst. Die bisher angesprochenen Textbeispiele entstammen alle der 90er Jahre und blenden unsere letzten Veröffentlichungen komplett aus. Da du offensichtlich keine unserer Veröffentlichungen besitzt, fällt es mir schwer mich konstruktiv mit dir auseinanderzusetzen. Machen wir uns mal nix vor, das Ganze hier hat schon etwas ziemlich Anklagendes. Da ich aber gar nicht einsehe, auf der Büßerbank zu sitzen und Du einen schlechten Staatsanwalt abgibst, will ich Dir auch mal eine Frage stellen: Du misst uns als Band an Textaussagen die mittlerweile 10-15 Jahre alt sind, du kennst nicht eine CD von uns, geschweige denn uns persönlich noch unser Umfeld. Du warst noch auf keinem der einschlägigen Ostfestivals, über deren Publikum Du Dir eine so pauschalisierende Meinung bildest. Will sagen, deine ideelle Fahne hängt sehr hoch und Du lehnst Dich ganz schön weit aus dem Fenster des 4.Stockes. Meines Erachtens sollte der Anspruch, den man an Andere erhebt, den gleichen Maßstäben wie für sich selbst folgen.
Stahmer: Ich denke das Volxsturm seinen Anteil an der Endrechtsradikalisierung der 90er Jahre "Strassenkids" geleistet hat und das unser Wink mit dem Zaunpfahl für einige gereicht hat nen Absprung zu wagen. Es ging uns auch darum eine Alternative zu sein. Die Musik von früher hat vielen quergeschlagenen Figuren den Scheitel geradegezogen! Soll jemand widersprechen, dann kann er uns gerne seinen Anteil nennen.
Ein Teil der heutigen Oi! - Szene kommt sicherlich aus dem ehemaligen rechten Umfeld, aber ich kenne viele die nach jetzigem Standpunkt eindeutige Antifaschisten sind. So auch meine Erfahrung und da bin ich stolz drauf.
Hinkel: Mensch Atakeks, Du reitest hier auf nen Text rum, der mehr als eindeutig ist, verstehst du den etwa nicht? Vielleicht ist das der Grund, warum Bands eher deutliche Texte über „PC Polizisten“ schreiben, weil solche Leute wie Du anscheinend nur plakative, deutliche Worte verstehen können. Übrigens bleiben durch solche Lieder Rassisten von unseren Konzerten fern, also Ziel erreicht. Aber für DICH noch mal der Text:
Text: „Gestatten, Volxsturm“
Ja es ist wieder mal soweit
Wir sind da und sind bereit
Uns ist es völlig scheißegal
Ob schwarz, ob weiß
Ob bunt, ob kahl
Refr.:
Das hier ist ein Punkkonzert
Wir wollen nur unseren Spaß.
Bei Volxsturm ist kein Platz für
Euch und Euren blinden Hass.
Wir können auf euch verzichten,
Das ist uns sonnenklar,
Denn das ist kein Parteitag
Und auch keine Wahl.
Manche werden es nie verstehen
Und Du gehörst dazu.
In manchen Köpfen geht nichts rein,
Lass uns mit dem Scheiß in Ruh.
Refr.
Jede Silbe, eine jede Melodie
Ein jedes Wort an Euch
Wäre eines zuviel!!!
Mit „Lebenslang“ habt Ihr (1999/ 2000) ein Thema aufgegriffen, welches sich in der Oi- aber auch der Fascho-Szene außerordentlich großer Beliebtheit erfreut: Vergewaltiger, Pädophile, Kinderschänder. COMBAT 84 forderten in diesem Zusammenhang einst die Todesstrafe, LAST RESORT riefen jüngst erneut zur Selbstjustiz auf und EXPLOITED hatten fast genauso Cleveres beizusteuern. Ihr hingegen belasst es beim Beklagen der (angeblich!) zu geringen Strafen für solche Täter. Das entspricht im Wesentlichen der von der Boulevardpresse geförderten durchschnittsdeutschen Haltung zu dem Problem. Es werden ausschließlich die Opfer als Menschen wahrgenommen und die Tat betrachtet, um sich dann an seiner Wut zu berauschen. Aus meiner Sicht wird dabei 1) stets auf´s Neue die Frage nach den (auch gesellschaftlichen) Ursachen ignoriert – kein Mensch wird als Vergewaltiger geboren -, wird 2) verschwiegen, dass es in Deutschland noch viel zu wenig Therapieangebote gibt und wird in der Regel 3) eine falsche Vorstellung von den Tätern erzeugt, die zum größten Teil eben nicht der maskierte Fremde, sondern eher der „nette“ Verwandte oder Bekannte sind (die vielfach vorher selbst Opfer waren). Da Ihr anders als in „Mach die Augen auf“ behauptet, eben nicht die einzigen seid, die sehen wie „Perverse Kinder schänden“ (oder junge Mädchen vergewaltigt werden) – BILD, RTL usw. berichten trotz insgesamt rückläufiger Zahlen so oft wie möglich darüber – stellt sich die Frage warum ein so komplexes Thema noch einmal in derart vereinfachender Form abgehandelt werden musste…
Stahmer: Schwieriges Thema, aber auch da gilt die Devise: lieber nicht selbst erleben. ....und wenn doch was dann? Wie reagierst du? Einschließen? Kastrieren? Aufhängen? Anklagen oder Therapieren? Wenn er krank ist und untherapierbar, wäre eine Kastration ein Einschnitt seiner sexuellen Ausrichtung und Freiheit? .....wenn so etwas unter die Rubrik Sex fällt, höre ich lieber morgen auf damit. Krank sind sie, keine Frage und oft nicht zu heilen, doch interessiert mich dieser Punkt in einem geschriebenem Lied nicht sonderlich. das ist Privatsache. Es ist wie mit der Politik oder anderen Sachen: wir legen vor, ihr schießt das Tor. Jeder zieht sich das raus, was er braucht. Es gibt Sachen im Leben, die will und muss ich nicht verstehen. Wenn Du da so engagiert bist, könntest du dich auch therapeutisch mit dem sozialen Umfeld von Neonazis befassen! Keiner wird als Rassist geboren, gab’s etwa früher zu viel Schläge, zu wenig Liebe, wurde ihnen als Kind öfter das Essen vom Teller weg gestohlen und so wurden sie schließlich zu neurotischen Egoisten..... i don´t f... care. Es sind immer noch Lieder und die haben was mit Bauchgefühlen zu tun, mit Ehrlichkeit, nicht mit einer neutralen wissenschaftlichen Begutachtung aller Fakten. Wenn wir es anders täten könnten wir auch ein Lied über den Israel/ Palästina Konflikt schreiben und damit eine Lösung für beide Seiten anbieten, aber dann wären wir keine Oi Band, sondern Friedensnobelpreisträger! ;-)
Hinkel: Also erstens fällt mir auf, dass Du nur von den Tätern redest. Mir persönlich sind aber die Opfer näher als die Täter. Ergo, schreibe ich ein Lied über Sachen, welche sich für mich bestimmt nicht „außerordentlich großer Beliebtheit erfreut“ ( ich wünschte mir, so etwas würde es nicht geben und man bräuchte keine Songs darüber schreiben...), werde ich immer Partei für das Opfer ergreifen und nicht, aus Sicht des Täters den Song gestalten. Ich habe im Bekanntenkreis und leider auch im Familienkreis Opfer solcher Taten. Also schreib ich solche Songs. So lange wir als Band uns entschließen, solche Songs zu veröffentlichen, egal ob RTL und BILD darüber berichten ( ich hab nicht mal Privatfernsehen, weil ich es ablehne, also kann ich auch nicht wissen, welche Sender wie viel und über was sie berichten...). Ich habe in meinen Beruf oft genug mit solchen Straftätern zu tun gehabt und ich weiß sehr wohl, dass es in Deutschland sehr gute und auch viele Therapiemöglichkeiten gibt, aber Fakt ist auch, dass es Studien gibt, die besagen, dass wenn ein Täter sich Opfer sucht, die er nicht kennt, die Rückfallquote zu solch einer Tat sehr hoch eingeschätzt werden muss. So wie in diesem Lied von uns besungen. Sicher gibt es Punkte, weshalb ein Mensch so etwas tut und sicher sind es oft auch äußere Einflüsse, warum der Täter zum Täter wurde. Gar keine Frage, da bin ich der gleichen Meinung wie du, ABER ich bin der Meinung, dass jeder für seine Missetaten auch gerade stehen muss. Du kannst vielleicht solchen Themen sachlich begegnen, ICH reagiere da aber sehr emotional. Ich kriege einfach das kotzen, wenn ein Täter 2 Jahre auf Bewährung bekommt. Auch fordere ich nicht höhere Strafen im Gesetz, sondern ,dass das Strafmaß auch angewendet wird, welches das Gesetz möglich macht.
Tost: Der Text versucht die Ohnmacht und Hilflosigkeit von Eltern und eines jungen Mädchens zu transportieren und beschreibt in erster Linie ein emotionales Dilemma gegenüber einem sachlichen Problem. Mal abgesehen davon, dass nicht alle Vergewaltiger pädophil sind und somit im Umkehrschluss auch nicht alle Vergewaltiger als krank gelten können. Statistisch gesehen sind die meisten Vergewaltigungsopfer in Deutschland im Alter von 14- 21 Jahren.
Themen wie Macht über Andere, eine Selbstbedienungsmentalität wie sie durch die Pornoindustrie kolportiert wird, Gewalt gegen Andere usw. sind sicher Facetten, die hier mit reinspielen und jeder Fall muss individuell beleuchtet und bewertet werden.
Durch Bands wie die BAD BRAINS, AGNOSTIC FRONT oder die DROPKICK MURPHYS sind über die Jahrzehnte immer wieder homophobe Inhalte in „die Szene“ getragen worden, sei es nun in Interviews oder Song-Texten. Es gab natürlich auch eine ganze Reihe von entgegen gesetzten Songs (s. OI POLLOI, „When two men kiss“), aber vor ein paar Jahren haben die LOS FASTIDIOS dann mit „Johnny & The Queer Boot Boys“ einen wie ich finde außerordentlich bemerkenswerten Beitrag zu dem Thema geleistet. Bemerkenswert deshalb, weil ich den Eindruck habe, dass so eine Haltung, die Toleranz einfordert, im Oi-Genre nach wie vor nicht gerade selbstverständlich ist. Wie seht bzw. erlebt Ihr das? Glaubt Ihr, dass derart klare Ansagen von Nöten sind, dass Homophobie in Teilen „unserer Szene“ nach wie vor ein Problem darstellt?
Tost: Ich lehne gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit genauso ab, wie irgendwelche Gutmenschendiskussionen. Ich habe nichts gegen Schwule & Lesben, aber mach mir andererseits auch keinen Regenbogenaufkleber auf`s Auto. Ich toleriere ihre Lebensweise im gleichen Maße wie sie meine Toleranzgrenzen nicht überschreiten. Im übrigen arbeite ich in einer Werkstatt für behinderte Menschen und bin es durchaus gewohnt mit Menschen zu tun zu haben, die „anders“ sind. Die sexuelle Orientierung ist in der Gesamtheit mein kleinstes Problem.
Frei flottierende Angst macht sich häufig da breit, wo man mit der Realität nicht in Berührung kommt. Ich kenne schwule und lesbische Menschen, frag aber auch nicht jeden beim ersten Handschlag nach seiner Ausrichtung. Genauso ist es mir egal was Du mit Deiner Freundin treibst. (Anm. Keks: Das würde ich so nem hochanständigen Menschen wie Dir auch gar nicht erzählen wollen…) In der Szene kenn ich mindestens 3 Skins die mit ihrem Schwulsein offen umgehen und in dieser akzeptiert und involviert sind. Vielleicht bin ich auch einfach der falsche Ansprechpartner, weil vorurteilsbehaftete Angst und eine damit verbundene ablehnende Haltung eventuell eher ein Thema jüngerer Leute ist. Der Irrglaube, schwule Menschen würden alles vögeln wollen was nicht bei 3 auf den Bäumen ist, gehört auch eher ins Reich der Mythen.
Stahmer: hahaaaaa da kennst du Hamburg Moe aber nicht richtig, der fängt gar nicht erst an zu zählen!!!! Nee im Ernst, man sollte doch mal alles im Zusammenhang betrachten. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich so viel getan und es wird auch mal Zeit die positiven Änderungen in der Kultur des Menschen im Umgang mit sich selbst zu erwähnen oder überhaupt mal wahrzunehmen. Schwule Parteivorsitzende, "schwarze" Präsidenten, Frauen im Bundeskanzleramt. Es gibt auf diesen Sektoren zwar noch für Hundert Jahre Arbeit, aber dieses ständige Schwarzmalen geht nicht nur anderen auf die Nerven, man kommt ja nie wirklich weiter wenn man das Errungene nicht mal zu feiern weiß.
Man muss auf der anderen Seite auch nicht gleich seine „bedingungslose“ Akzeptanz mit nem Schwanz im Mund rausbrüllen! ;-)
Hinkel: Ich hab auch kein Problem mit homosexuellen Menschen. Im Bekannten- und Kollegenkreis kenn ich viele. Selbst in unserer Szene kenn ich zwei Leute die homosexuell sind und ein Cousin von mir ist es auch. Trotzdem möchte ich nicht, dass mein Sohn schwul wird. Wenn er es wird, na ja, dann ist es halt so.
Die Schwulen oder Lesben, die ich kenne, können auch mal über nen „Homowitz“ lachen, gar kein Problem. Im Endeffekt ist es doch scheißegal, was wer mit wem in seinem Schlafzimmer treibt. Das interessiert mich nicht und vielen Anderen ist es auch egal. Ich denke nicht, dass wir solche Songs unbedingt brauchen, weil’s den meisten Leuten einfach Rille ist. Aber jede Band kann natürlich über das singen, was sie bewegt und wenn du gerne solche Songs über Homosexualität und ihre Probleme hören möchtest, dann musst DU das tun. (Anm. Keks: Leider ist überhaupt nicht festzustellen worin ich schlechter bin: Singen oder Gitarrespielen…) Ich kenne die Songs nicht, hab eh nur die alten Sachen von Oi Polloi (seit ca. 1993/94 hab ich nix mehr von denen gehört) und von den Italienern hab ich nur eine Platte. Dafür habe ich aber mehrere LP`s von den Murphys, von Agnostic Front und Bad Brains sind eh der Hammer. Platten von den genannten Bands gibt es ja auch in Eurem Plastic Bomb Mailorder und man darf nicht alles mit seinem Duisburger Horizont über einen Kam scheren.
In sehr vielen Oi- und Streetpunk-Texten geht es um Kraft, Stolz und Stärke, um´s Kämpfen usw. Meist bleibt dabei verhältnismäßig unklar wofür und wogegen. In meinen Augen wird auf diese Weise nicht zuletzt auch ein durchaus bedenkliches Männerbild vermittelt, das dem rechter Gruppierungen fraglos verwandt ist und somit zwangsläufig auch einen Ansatzpunkt für Beeinflussungsversuche von dieser Seite liefert. Haltet Ihr dieses immer wiederkehrende Beschwören der saufenden und prügelnden Männergemeinschaft grundsätzlich für unproblematisch oder gab/ gibt es Punkte an denen Euch das auch zu viel ist, wo´s auch für Euch in eine falsche Richtung läuft?
Tost: Welches Männerbild ist denn unbedenklich oder angemessen? Ist das emanzipatorische Bild von Frauen in Hinblick auf Männer manchmal besser? Sollen wir nach dem Niedergang des Patriarchats das Matriarchat ausrufen? Fragen, zu denen Du mir keine Antwort geben musst, sondern die jeder für sich selbst beantworten muss. Genauso halten wir es in unseren Texten. Wir appellieren an die innere Stärke auch Niederschläge des Lebens zu verkraften, sich dadurch nicht entmutigen zu lassen, seinen Weg zu finden und diesen auch zu gehen. Dafür findest Du in unseren Texten viele Beispiele. Ich denke, dein Ansatz ist zu kopflastig und vorurteilsbehaftet. Daher hängst Du gedanklich immer am Thema Klassenkampf, aber das Leben und sich seinen Freiraum in diesem zu erhalten ist ein täglicher Kampf und darüber singen wir. Ich meine gar nicht den martialischen Oberkörperfreiskin, sondern der Kampf den ich meine findet eher im Kleinen und Alltäglichen statt und jeder der lebt, kann sicher ein Lied davon singen.
Stahmer: Die falsche Richtung wäre es sicherlich, wenn man sich nach einer exzessiv gelebten Jugend selbst zerstörerisch weiter in den Abgrund säuft und nie, statt später, anfängt seine grauen Zellen anzustrengen. Auch hier geht’s aber eher um Grundsätzliches: Aufwachsen, Scheiße sein, Scheiße bauen, selber daraus lernen um irgendwann an seine evolutionären Grenzen zu stoßen. Wo da jetzt jeder Einzelne seine Erfüllung sieht, muss man, na klar, selber ausloten. Entscheide Dich: Bauwagen oder Spießer!
Text „Tanz“
Das ist mein Weg, den ich geh
Meine Richtung in die ich seh
Das ist mein Punkt, auf dem ich steh
Das ist mein Lebensweg, den ich geh
Ich hab mein Ziel ganz klar in Sicht
Verlogenheit, die bricht das Licht
Keinen Umweg, immer geradeaus
Ich muss hier weg, ich will hier raus
Doch du hast nur die eine Chance
Finde den Weg und die Balance
Wenn du nur auf Andere hörst
Dir deine Zukunft selbst zerstörst
Ref.: Ist das die Richtung die du wählst?
Ist das der Weg, den du gehen willst?
Tanz aus der Reihe
Tanz, tanz aus der Reihe
Ich brauch Keinen der für mich denkt
Brauch kein Arschloch, das mich lenkt
Nehm mir die Freiheit, die ich brauch
Denk mal mit dem Kopf und mal mit dem Bauch
Monotonie und die Farbe grau
Gibts schon zuviel, oder willst du das auch
Spring mit auf, begleit mich ein Stück
In meine Richtung es gibt kein Zurück
Gehst du nur schon beschrittene Wege
läufst du der Masse hinterher?